Fälschlicherweise sprechen viele Reptilienhalter umgangssprachlich von „Winterschlaf“ bei ihren Haustieren, dabei handelt es sich bei diesen wechselwarmen Tieren streng genommen um eine Winterstarre (Hibernation).
Reptilien sind poikilotherme Tiere und demzufolge nicht in der Lage ihre Körpertemperatur selbständig zu regulieren. Sie sind somit auf die äußeren Umweltbedingungen angewiesen. Die Winterstarre gehört zum natürlichen Jahreszyklus vieler mediterranen Ektothermen und ist essenziell für ein gesundes Leben.
Winterschlaf? Ab in den Kühlschrank!
Während den kalten Wintermonaten würden die sich überwiegend herbivor ernährenden Landschildkröten nicht ausreichend Futter finden. Die Hibernation ermöglicht ihnen somit diese harte Kältezeit zu überbrücken. Gerade bei Jungtieren ist die Winterstarre notwendig, da diese sonst viel zu schnell wachsen und daran erkranken. Tiere die von Anfang an eine Winterstarre halten, sind in der Regel wesentlich widerstandsfähiger und agiler!
Das Temperaturoptimum für den Stoffwechsel der meisten Landschildkröten liegt bei circa 35°C. Bei Temperaturen unter 20°C sinkt die Aktivität der Verdauungsenzyme. Die Schildkröten nehmen immer weniger Nahrung auf um sie schlussendlich komplett einzustellen
In der Natur werden die mediterranen Landschildkröten also automatisch durch die fallenden Temperaturen auf ihre Ruhephase eingestellt. Zudem beeinflussen wichtige Faktoren, wie die abnehmende Tageslänge und der geringere UV-B-Anteil im Sonnenlicht das ganze Geschehen. Als Konsequenz stellen sie die Nahrungsaufnahme ein, suchen sich ein geeignetes Winterquartier und fahren ihren Stoffwechsel, sowie ihr Herz-Kreislauf-System herab. Während der Winterstarre bei 5°C beträgt die Herzfrequenz nur noch 3 bis maximal 5 Schläge pro Minute. Außerdem ist der Sauerstoffbedarf zu diesem Zeitpunkt so stark reduziert, dass nur noch wenige Atemzüge pro Minute stattfinden. Dieser Prozess ermöglicht es diesen kleinen Überlebenskünstlern über Monate hinweg ohne Nahrung auszukommen und sie erwachen erst im Frühling aus ihrer Starre, wenn die Temperaturen wieder langsam ansteigen.
Schon gewusst?
Neben der Kältestarre, verfallen einige Landschildkröten in eine sogenannte Wärme- oder Hitzestarre, um die heiße Trockenperiode des Sommers zu überbrücken!
In der Regel lässt die Aktivität bereits im Oktober nach. Die Tiere fressen nicht mehr so viel und bewegen sich kaum noch. Oft vergraben sie den Kopf im Substrat oder verstecken sich in ihrem Unterschlupf. Spätestens jetzt kann das Futterangebot eingestellt werden. Es ist sehr empfehlenswert die Tiere nun mehrmals in lauwarmem Wasser zu baden, damit sie ihren Darm komplett entleeren und zugleich ausreichend Wasser für die bevorstehende Winterstarre aufnehmen können.
Foto: Als Überwinterungsquartier für Landschildkröten können große, in den Boden eingebaute Tonnen dienen. Die Temperatur und Luftfeuchtigkeit wird hier elektronisch überwacht.
Falls die Tiere im Terrarium gehalten werden, sollten nun Beleuchtung und Wärmequellen ausgeschaltet und die Zimmertemperatur auf unter 18°C runtergekühlt werden. Wenn die Landschildkröte circa 10 Tage nach dieser Prozedur nicht zur Ruhe kommt, ist es besser abzubrechen und das Tier von einem fachkundigen Tierarzt kontrollieren zu lassen. Somit verringert man die Gefahr ein krankes Tier zu überwintern, das die Winterstarre möglicherweise nicht überleben würde.
Ab jetzt soll auch das Gewicht der Schildkröte überwacht und in einem Abstand von 4 Wochen notiert werden. Sinkt das Körpergewicht um mehr als 10%, ist es ratsam die Winterstarre abzubrechen.
Die gängigste Methode zur artgerechten Überwinterung in Gefangenschaft erfolgt in einer Kiste im Kühlschrank. Die Größe der Kiste ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, allerdings sollte das Tier sich bequem bewegen und drehen können (Grundfläche: doppelte Panzerlänge x dreifache Panzerlänge). Als Substrat wird üblicherweise Erde, Humus, oder ein Sandgemisch mit Erde verwendet, das stets feucht, aber keinesfalls nass sein sollte. Darüber befindet sich eine circa 20 cm hohe Laub- oder Heuschicht, die das Tier bedeckt. Die Temperatur sollte konstant zwischen 4 und 6,5°C liegen. Temperaturen von über 8°C führen zu einem bedeutsamen Energieverlust, was leider oftmals zum Tod der Tiere führt.
Neben den Gewichtskontrollen sollten gleichzeitig auch Temperatur und Luftfeuchtigkeit überwacht werden. Außerdem ist es notwendig den geschlossenen Kühlschrank 2 Mal pro Woche zu öffnen um die Tiere mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen. Die Überwinterungsdauer beträgt 3 bis 5 Monate bei einer Luftfeuchtigkeit von circa 75%.
Grundsätzlich brauchen die Schildkröten nach der Überwinterung eine gewisse Zeit, bevor sie wieder beginnen regelmäßig zu fressen. Da die Tiere nach der Überwinterung meist relativ stark ausgetrocknet sind, benötigen sie Wasser und sollten ausgiebig gebadet werden, um die angesammelten toxischen Produkte ausscheiden zu können. Lauwarme Bäder helfen den Darm wieder in Schwung zu bringen. Außerdem stabilisieren sie den Wasserhaushalt, da die Schildkröte in der Regel während dem Bad nicht nur ausgiebig trinkt, sondern ebenfalls Flüssigkeit über die Haut aufnimmt. Dies vermindert das Risiko einer Niereninsuffizienz! Leider kommt es immer wieder zu Todesfällen, weil die Besitzer ihre Haustiere bei zu hohem Wasserstand baden und diese dann elendig ertrinken.
Schließlich werden die Landschildkröten wieder ins Terrarium gesetzt und bekommen weitere 4 Tage Zeit, sich bei reduzierten Licht- und Wärmebedingungen zu akklimatisieren. In Freigehegen entfällt dieser letzte Schritt natürlich. Bei ausreichender Wärmezufuhr beginnen die Schildkröten normalerweise innerhalb von 14 Tagen mit einer regelmäßigen Nahrungsaufnahme.
Wem dieses Prozedere nun zu aufwändig erscheint, sollte sich vor Augen halten, dass der Verzicht auf die Winterstarre bei mediterranen Landschildkröten wie zum Beispiel der häufig in Gefangenschaft gehaltenen Griechischen Landschildkröte (Testudo hermanni) Risiken wie Fortpflanzungsstörungen, Übergewicht, beschleunigtes Wachstum, Stoffwechselerkrankungen oder Leberschäden mit sich bringt. Die Hibernation ist also unentbehrlich, wenn wir der Gesundheit und dem arttypischen Verhalten unseren Haustiere in Gefangenschaft gerecht werden wollen.
Fehler, die während der Überwinterung oft gemacht werden
Eine zu trockene Überwinterung führt schlichtweg zum Austrocknen der Tiere. Die Gewichtsmessungen kontrollieren somit den Wasserverlust, der keinesfalls über 10% sein sollte!
Eine zu feuchte Überwinterung fördert Infektionen der Haut und des Panzers.
Temperaturen von über 8°C führen zu einem enormen Energieverlust und eventuellen Leberschäden. Zu niedrige Überwinterungstemperaturen können zu Linsentrübungen führen.